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Die Frauen haben nicht nur Zugang zu Ausbildung, Arbeit und Einkommen, sondern auch zu rechtlicher und sozialarbeiterischer Beratung, etwa bei häuslicher Gewalt. Sie werden als Näherinnen befähigt und als Frauen insgesamt gestärkt. Angestellte der Organisation erledigen die administrativen Arbeiten. Die Näherinnen selbst sind in der Leitungsebene vertreten, wählen einen Vorstand und bilden die Generalversammlung. Ihre Stimme zählt.
Es war eine große Umstellung, als Joshna Gouda nach ihrer Heirat ihr kleines Heimatdorf in Karnataka, im Süden Indiens, hinter sich ließ. Sie zog in die Megacity Mumbai. Ihr Mann kam als Leiharbeiter unter. Auch die Wohnsituation war schlechter als vorher. In einem Armenviertel in der Nähe des Stadtviertels Andheri mieteten die beiden eine kleine Unterkunft. Finanzielle Probleme waren an der Tagesordnung. Das niedrige und unregelmäßig Einkommen ihres Mannes reichte nicht zum Leben. Joshna hatte vor ihrer Heirat nähen gelernt und machte sich auf die Suche nach Arbeit. Ihre Schwiegereltern und andere Verwandte waren damit zwar nicht einverstanden. Doch sie setzte sich durch. Über eine Nachbarin erfuhr sie von Creative Handicrafts.
Die Organisation fördert und stärkt seit über 40 Jahren benachteiligte Frauen aus den Slums von Mumbai. Sie werden als Näherinnen geschult und sind in Selbsthilfegruppen und Kooperativen organisiert. Sie entscheiden über die Preisgestaltung und die Verwendung des Gewinns mit. Auch Joshna ist heute Mitglied einer Kooperative. Sie hat gelernt, mit einer elektrischen Nähmaschine umzugehen, konnte sich weiter qualifizieren und trägt mit ihrer Arbeit wesentlich zum Familieneinkommen bei. Das hat nicht nur die Wohnsituation verändert – das Paar lebt heute mit der 10-jährigen Tochter in einem kleinen Eigenheim – es hat auch das Selbstbewusstsein der jungen Frau gestärkt. Denn bei Creative Handicrafts geht es nicht nur darum, ein gutes Produkt unter menschenwürdigen Bedingungen herzustellen und dafür fair bezahlt zu werden. Der soziale Rückhalt, den die Frauen insgesamt an ihrem Arbeitsplatz in ihrer oft extrem schwierigen Lebenssituation bekommen ist zentral. Besonders schätzt Joshna Gouda den Kinderhort, der von Creative Handicrafts eingerichtet wurde.
Johny Joseph über ein Jahr Pandemie und die kommenden Herausforderungen:
„Der Lockdown begann im März 2020. Heute, ein Jahr später, stehen wir vor einem weiteren Lockdown. Denn die Infektionszahlen in Indien haben einen neuerlichen Höchststand erreicht. Die Pandemie ist also nicht zu Ende. Sie erreicht gerade einen Höhepunkt. Es kann Monate dauern, bis die Impfung alle erreicht. Immerhin müssen über eine Milliarde Menschen geimpft werden.
Es ist schon seltsam. Studien zeigen, dass sich das Vermögen der reichsten Menschen hier während der Pandemie um 30 Prozent erhöht hat, während auf der anderen Seite die arme Bevölkerung Arbeit, geregeltes Einkommen, ihre Lebensgrundlage verloren hat. In Indien leben die Menschen kaum alleine. Man lebt in größeren Familien zusammen. Es gibt nicht eine Person, die das Geld verdient, sondern mehrere Familienmitglieder leisten ihren Beitrag. In jeder Familie haben zwei oder drei Leute ihre Arbeit verloren, in der Hotellerie, im informellen Sektor, TagelöhnerInnen, viele sind zurück in ihre Dörfer gegangen, haben kein Einkommen mehr.
Was die Frauen von Creative betrifft: Sie konnten weiterarbeiten. Das war ein riesiger Erfolg und wurde durch unsere PartnerInnen aus dem Fairen Handel möglich. Insgesamt hatten wir im letzten Jahr zwar weniger Produktion, doch wir haben es geschafft, die Frauen weiter zu beschäftigen. Die Frauen von Creative waren die einzigen, die in ihren Familien Geld verdient haben. Mahadevi etwa. Sie arbeitet seit 20 Jahren bei uns. Sie wurde von ihrem Mann verlassen und hat drei Kinder großgezogen. Nach und nach konnte sie sich aus der Armut befreien. Zwei Töchter arbeiteten bei einer Fluglinie und der Sohn in einem guten Hotel. Alle drei haben vor der Pandemie vernünftig verdient. Ihre Mutter sagte mir noch: „Jetzt kann ich schön langsam in die Pension gehen, kann aufhören, bei Creative zu arbeiten.“ Und dann kam plötzlich diese Pandemie, ihre Kinder sind seit einem Jahr ohne Einkünfte zuhause, sie war die einzige, die noch weiter Geld verdient hat.
Auch im dreimonatigen totalen Lockdown haben wir die Näherinnen weiterbezahlt. Wir wussten, sie brauchen das Geld. Auch das ist durch den Fairen Handel möglich gewesen. Die EZA und die Weltläden haben dazu ganz maßgeblich beigetragen. Ihr habt sofort reagiert. Auch andere Organisationen aus dem Fairen Handel, Freiwillige, die uns in der Vergangenheit besucht haben, sie alle haben etwas beigetragen. So konnten wir die vollen Löhne bezahlen. Wenn so eine Situation lange anhält, wird es natürlich zunehmend schwierig.
Ein Bereich hat allerdings gelitten. Es ist unser Catering, Asli Food. Wir mussten es vorübergehend schließen, haben zwar wieder aufgemacht aber nur mehr mit fünf Frauen. Einige der früheren Mitarbeiterinnen sind in Pension gegangen. Alle diese Frauen haben ebenfalls bis Dezember 2020 ihren vollen Lohn erhalten. Diejenigen, die aktuell noch nicht wieder arbeiten können, erhielten eine finanzielle Unterstützung. Sobald sich die Situation normalisiert, wollen wir sie wieder einstellen.
Für viele unserer Kunden aus dem Fair Trade Bereich war es schwierig im letzten Jahr, die Ware zu verkaufen. Die Bestellungen insgesamt sind um ungefähr 40 Prozent zurückgegangen. (Die EZA konnte ihre Bestellmenge bei Creative Handicraft ausbauen, Anm EZA). Wie sich das Ganze nächstes Jahr entwickelt, kann ich noch nicht abschätzen.
Die Herausforderungen für die kommenden Monate werden davon abhängen, ob wir wieder in den Lock Down gehen müssen und wenn ja, wie lange, wie sich die Pandemie insgesamt entwickelt und ob wir genug Aufträge bekommen. Ich hoffe sehr, dass sich die Impfgeschwindigkeit erhöht, dass sich der Verkauf in Europa gut entwickelt, sodass wir produzieren können.
Und dann kommt natürlich dazu, dass viele Menschen auf Arbeitssuche sein werden. In unserem Trainingscenter sehen wir, dass sich viele Frauen bewerben. Das hat seine Gründe: Wir waren in der Pandemie in der Lage, unsere Mitarbeiterinnen zu unterstützen, wir haben sie bezahlt. Das hat sich in den Slums wie ein Lauffeuer verbreitet. Dort hatten zum Beispiel viele, die als Haushaltskraft gearbeitet haben, plötzlich ihr Einkommen verloren. Obwohl die Haushalte Geld hatten, haben sie ihre Haushaltshilfen nicht mehr bezahlt. Deshalb gibt es jetzt viele, die bei Creative Handicraft einsteigen wollen und auch das ist eine Herausforderung für uns. Denn es geht nicht nur darum, die Frauen zu halten, die bei uns arbeiten, sondern auch zu sehen, wie wir neue Arbeitsplätze schaffen können.“
Prathiba Pujari, deren Mann 2019 verstorben ist, arbeitet seit 12 Jahren bei Creative Handicrafts.
Namrata Desai (links im Bild) arbeitet seit acht Jahren bei Creative Handicrafts, sie ist verheiratet und Mutter zweier Kinder.
Namrata konnte ihre Fähigkeiten bei Creative Handicrafts kontinuierlich weiterentwickelt. Sie mag „herausfordernde“ Designs, sagt sie, denn dann könne sie sich beweisen. Durch die fairen Preise, die für die Produkte bezahlt werden, verdient sie auch besser und kann etwas Geld zurücklegen.
Anjali Khedekar (rechts im Bild), 55, arbeitet seit 19 Jahren bei Creative Handicrafts. Sie ist Alleinverdinerin, ihr Mann kann krankheitsbedingt keiner Arbeit mehr nachgehen, einer ihrer beiden erwachsenen Söhne lebt noch im gemeinsamen Haushalt, er ist gelähmt.
Sie erinnert sich an harte Zeiten. Auch als ihr Mann noch arbeiten konnte, reichte das Geld nicht. Oft wusste sie nicht, was sie ihrer Familie zu essen geben sollte. Das Nähen hat sie bei Creative Handicrafts von Grund auf gelernt. Zuerst wurde sie im Trainingscenter der Organisation ausgebildet, dann wurde sie Mitglied einer der Kooperativen.
Es mache sie glücklich, mit den Fähigkeiten, die sie erworben hat, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, mit Frauen, die in einer ähnlichen Situation sind wie sie, zusammenzuarbeiten und für Organisationen des Fairen Handels Schönes zu nähen.